Kann man mehrere Sprachen lernen? Ist es möglich, mehrere Sprachen auf einmal zu lernen? Wer schafft so was überhaupt und wie nützlich ist es, mehrere Sprachen zu beherrschen?
Wenn du Kinder hast oder jüngere Kollegen kennst du höchstwahrscheinlich schon die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist mehrere Fremdsprachen zu lernen. Da kann es schon mal vorkommen, dass man das eigene Kind nicht mehr versteht, wenn es beim Online-Videospiel mit Leuten aus aller Welt auf Englisch redet oder man sich von seinen Büronachbarn anhört, wie ihnen Spanisch und Französisch auf ihrem Roadtrip durch Europa geholfen hätten.
Unser Schulsystem ist darauf ausgelegt, dass neben Englisch noch eine zweite Fremdsprache gelernt werden muss, die in den meisten Fällen dann Französisch oder Spanisch ist. Für Überflieger gibt es dann an einigen Schulen sogar noch Latein. Im Berufsleben wird mittlerweile bei recht vielen Karrierewegen angeraten, zumindest zwei Fremdsprachen zu sprechen. Wenn wir das sehen und bis eben noch mit unserem Schulenglisch zufrieden waren, können wir ziemlich unsicher werden und uns fragen: Kann ich überhaupt noch weitere Fremdsprachen lernen?
Manchmal ist es erschreckend, wie schnell Kinder sich Englisch aneignen, als wäre es das Natürlichste der Welt. Doch zweierlei Sachen müssen wir hier beachten: Die heutigen jungen Generationen wachsen in einer Welt auf, in der viel mehr Kontakt zur englischen Sprache herrscht denn je. Dazu kommt, dass das beste Alter für das Erlernen der ersten Fremdsprache vor Ende der Pubertät liegt. Hier sei aber wohlgemerkt, dass sich das oft auf die Aussprache und das Lernen von Vokabular und Strukturen bezieht. Das Hör- und Leseverstehen fällt hier weniger mit rein. Nichtsdestotrotz ist es für die Jugendlichen, die in der Schule so oder so an das tägliche Lernen gewöhnt sind, somit leichter als für so manchen Erwachsenen, sich dann auch noch an die zweite Fremdsprache zu wagen.
Vielleicht hast du schon einmal von dem Wort “polyglott” gehört. Sicherlich ist vielen der Begriff vertraut durch Heinz Erhardts Gedicht “Die polyglotte Katze”, in der es (Vorsicht! Die Pointe wird verraten!) einer Katze gelingt eine Maus zu fangen, da sie wie ein Hund “sprechen” kann und die Maus sich dadurch in Sicherheit wiegt. Ähnlich dazu bezeichnen wir polyglotte Personen als jene, die mehrere Sprachen wirklich beherrschen. Natürlich kann das bedeuten, dass jemand mehrere Sprachen von Geburt auf an als Muttersprachen erlernt hat oder sich im Verlauf des Lebens angeeignet hat. Bisher existiert keine genaue Richtlinie dafür, wie viele Sprachen man beherrschen muss, um als polyglott zu gelten. Werfen wir einen Blick auf einige der bekanntesten polyglotten Menschen, dann scheint uns manchmal die Zahl der erlernten Sprachen als so unrealistisch hoch, dass wir gar nicht wissen, wie wir darauf reagieren sollen.
So soll der italienische Kardinal Giuseppe Gasparo Mezzofanti, der im 18. Jahrhundert geboren wurde und bis heute den offiziellen Weltrekord für Mehrsprachigkeit hält, 38 Sprachen gesprochen haben, wovon 29 neben Italienisch als seiner Muttersprache nachgewiesen wurden. Knapp gerechnet müsste er in seinen 75 Lebensjahren daher pro Jahr ein bis zwei Sprachen gelernt haben und dabei die anderen nicht vergessen haben.
Wer mit Alexandre Dumas “Der Graf von Monte Christo” vertraut ist, wird sich eventuell daran erinnern, dass die Hauptfigur Dante innerhalb von sechs Monaten im Gefängnis von einem Abbé mehrere Sprachen lernte. So heißt es: “Übrigens konnte er [Dante] Italienisch und etwas Neugriechisch, das er auf seinen Reisen in den Orient erlernt hatte. Mittels dieser zwei Sprachen begriff er bald den Zusammenhang aller andern, und nach sechs Monaten begann er, Spanisch, Englisch und Deutsch zu sprechen.”
Natürlich handelt es sich bei dem vielsprachigen Dante um Fiktion, aber in einem Polyglotten wie dem italienischen Kardinal scheint dies Realität geworden zu sein. All das zusätzlich in einer Welt, in der es keine reiche Auswahl an Lehrbüchern oder Apps gab. Wie ist so was also möglich? Einen Teil der Antwort hat und Dumas schon gegeben: Den Zusammenhang zwischen Sprachen begreifen.
Wer beispielsweise Spanisch gelernt hat, der wird sehr viele Parallelen zu Französisch und Italienisch erkennen können. Selbst Deutsch besitzt in seiner grammatikalischen Struktur eine große Ähnlichkeit zu Englisch. Daher fällt es einem natürlich leichter, Sprachen der gleichen Familie zu lernen. Aber auch allgemein entwickelt sich mit jeder neu gelernten Fremdsprache ein besseres Verständnis für sprachliche Strukturen. Doch ist der Speicher im Kopf nicht irgendwann voll?
In der linguistischen Wissenschaft zum Spracherwerb diskutiert man heiß über die Gründe, die dazu führen, dass einige Leute schneller und andere langsamer Sprachen lernen. Das kann durch biologische Gründe wie das Alter oder soziale wie gesellschaftliche Privilegien bis hin zur finanziellen Situation variieren. Im Endeffekt ist die Wechselwirkung aller verschiedenen Aspekte das, was das individuelle Lernen beeinflusst. Generell ist fast jeder in der Lage mehrere Sprachen im Verlauf seines Lebens zu lernen, insbesondere wenn man bedenkt, wie viel das menschliche Gehirn aufnehmen kann.
Wie sollte unsere Frage also wirklich lauten? Vielleicht...
Dann gibt es jene, die am liebsten gar nicht aufhören wollen, neue Sprachen zu entdecken. Manchen reicht es, einfach mal in Französisch reinzuschnuppern, bevor es “zu grammatikalisch” wird. Für andere ist es fast schon ein Wettbewerb. Mehrere Fremdsprachen gleichzeitig zu lernen, erfordert aber nicht nur Disziplin, sondern vor allem die richtige Herangehensweise.
Am sinnvollsten ist es, sich Sprachen einer gleichen Sprachfamilie auszusuchen, sodass zum Beispiel eine Kombination romanischer Sprachen wie Spanisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch effektiv sein kann. Nicht selten hört man daher, dass Leute, die Französisch und Spanisch beherrschen, Italienisch in einer sagenhaft schnellen Zeit gemeistert haben. Hier muss man aber aufpassen, dass sie im Kopf nicht miteinander vermischt werden, sondern wie Schulfächer getrennt behandelt werden, sodass das Hirn immer die richtige Schublade aufmacht. Vor allem dieser Prozess kann Zeit erfordern, ist aber sicherlich nicht unmöglich.
An zweiter Stelle sollte man sich Sprachen aussuchen, die einem aufgrund der eigenen Muttersprache bereits leichter fallen. Für Deutsch wäre da wissenschaftlich geprüft Englisch die “einfachste” Sprache zu erlernen, während auch Niederländisch vorteilhafte Ähnlichkeit aufweist. Weiterhin sind Schwedisch und Norwegisch besonders in den Grundlagen sehr gut für Deutschsprachige zu erlernen.
Übermütig sollte man dennoch nicht werden. Es wäre zu schade, wenn man zu viele Sprachen anfängt und aufgrund von fehlender Zeit und Energie irgendwann keine mehr wirklich kann.
Letztendlich sollten wir uns jedoch einer Sache bewusst sein: Egal, was unsere Motivationen sind und egal, wie viele Fremdsprachen wir gerade lernen oder mal lernen wollen, wir müssen uns stets das wundervolle Gefühl bewahren, das in einem erwacht, wenn man immer tiefer in die Sprache eintaucht und nach langer Zeit auch die unmöglichsten Grammatikausnahmen sitzen. Wer glaubt, dass Sprachen lernen nur reine Arbeit ist, die einen spezifischen Nutzen erfüllen soll, der vergisst ganz und gar unsere Sprachfanatiker, die sogar Fantasiesprachen wie Klingonisch und Elbisch oder tote Sprachen lernen, einfach nur an der Faszination und Begeisterung, was die Natur der Sprachen ausstrahlt.
Wer also die Freude am Sprachen lernen bewahrt, dem wird keine Sprache je zu schwierig sein.
Falls du noch Unterstützung brauchst, entspannter und frustrationsloser beim Lernen zu sein, dann klicke hier.
Kommentar schreiben